Präambel
Die Arbeitsgruppe "menschen formen" besteht seit dem Herbst 1999 und ist damals aus einem Seminar am Institut für Soziologie der FU Berlin hervorgegangen, das sich mit der "Einführung in das Denken Hans Peter Webers" der Frage- und Themenstellung gewidmet hatte, wie einem konstatierbaren "theoretischen Stillstand" von Kritischer Theorie, Konstruktivismus, Systemtheorie, Dekonstruktivismus und Differenzphilosophie entgegenzuhalten ist. Den weiteren Hintergrund der AG menschen formen bildet der im Rahmen der Historischen Anthropologie vorgetragene Grundgedanke Dietmar Kampers, wonach der Mensch "sich selbst und den anderen eine offene Frage ist und bleibt, die durch keine Antwort abgeschlossen werden kann. "Ein Begriff vom Menschen, der es erlaubt, die Unmöglichkeit eines Begriffs vom Menschen begrifflich nachzuweisen, steht noch aus."
Angesichts der Antworten, die mit der einen Frage "Was ist der Mensch" bereits vorgegeben sind, angesichts der Grausamkeit und des Leids, die ein sich selbst setzender Mensch mit der Bestimmung, was Nicht-Mensch ist, hervorruft, jedoch auch angesichts der Zumutung, jenseits des genetischen Codes zum Menschen nichts mehr zu sagen zu haben, wäre die Anstrengung durchzuhalten, "Fragen (zu) stellen, ohne sie mit den bereitgestellten Antworten zurückzuweisen." Versucht wird, sich auf diese Spannung hin zu sensibilisieren, dem statthabenden theoretischen Stillstand zu ent-/begegnen, den "anthropologischen Schlaf" zu überwinden. Versucht wird, sich den Zumutungen sowohl der Frage nach dem Menschen als auch seiner Beschreibung zu widersetzen.
Angesichts eines allgemeinen jahrhundertelangen forcierten Ermächtigungsbestrebens abendländischer Zivilisationsgesellschaften, momentan eines Fortschreitens der Gentechnologien in entwickelten/sich entwickelnden Simulations- bzw. Kontrollgesellschaften (Baudrillard, Deleuze) im Zusammenspiel mit der Theorie eines gesellschaftlichen Imaginären (Dietmar Kamper) und der Deleuzeschen Frage, welche neuen Kräfte des Außen welche neue Menschen-Form entstehen lassen, setzt das Projekt menschen formen genau an der Stelle an, an der Formen des Menschen anfangen, Menschen zu formen.
"Es ist davon auszugehen, daß die Bestimmung des Menschen und die Bilder vom Menschen, eines sich selbst setzenden Menschen, dazu führen, dasjenige abgrenzen und bestimmen zu können, was (oder auch: wer) 'Nicht-Mensch' ist. Es ist davon auszugehen, daß das Wirken (und Wohnen in der Natur) des Menschen immer weiter in (dessen andere Seite:) die Nötigung/Notwendigkeit gerät, daß dieses Wirken auch zugleich die Wirklichkeit für den Menschen ausmacht. Es ist davon auszugehen, daß in der Produktion der Bilder und Begriffe, die vom Menschen gemacht werden, Artefakte entstehen, in denen der Mensch nicht mehr oder nur formal verhandelbar ist... Mit vorerst zumindest den folgenden Zumutungen als Konsequenz: jenseits eines genetischen Codes zum Menschen nichts mehr zu sagen zu haben, einen sich verselbständigenden zirkulären Prozeß der Selbstbeobachtung errichtet zu haben, den Menschen in eine Systemumwelt gestellt, sein Wirken (und seine Wirklichkeit) der Logik diverser Funktionalitäten überantwortet zu haben, ein Verschwinden des Menschen, einen 'anthropologischen Schlaf' (Foucault), zumal in der zivilisatorischen Zurichtung und wissenschaftlichen Beschreibung, bemerkt und festgestellt zu haben. (Die sich aufdrängende Frage, die einen theoretischen Stillstand erahnen läßt, lautet: Sind jene Theorien mit diesen Verlautbarungen an ihr Ende gekommen?) Das Formen der Menschen beginnt Menschenformen zu formen.
Ist davon auszugehen, daß das, was mit der Festsetzung und Aneignung des Anderen begonnen hat, auf eine mögliche Enteignung des Eigenen hinausläuft?" (aus: "menschen formen", Tectum Verlag, Marburg 2000).
Verlautbarungen, nach denen der Mensch zu überwinden sei, oder die ein Verschwinden des Menschen konstatieren, Theoriezuschnitte, die den Menschen in die Systemumwelt stellen, sein Wirken und seine Wirklichkeit der Logik diverser Funktionalitäten überantworten, Abbildungen des Menschen, die sich gegen den Menschen gerichtet haben, eine Wirklichkeit, die laut Dietmar Kamper und Bernd Ternes exzentrisch paradox geworden ist - ist man versucht, sich hier eine Übersicht zu verschaffen, gerät man nahe an eine Aussichtslosigkeit. Es wäre aber ratsam, der paradoxen Aussicht auf Aussichtslosigkeit zu entkommen.
Ausgehend von der Feststellung, dass dies alles nicht mehr alleine, in nur einem Kopf, zu denken ist, und dass das, was zusammengedacht werden muss, auch nur noch zusammen (miteinander) zu denken ist, ist dieses Forum eingerichtet worden, das die regelmäßigen Treffen der Arbeitsgruppe ergänzt durch eine website, die der Veröffentlichung von Texten und dem Gedankenaustausch dienen soll.
Aufgrund eines Zustands, in dem das Wissen-vom-Menschen an ein konkretes Erleben des Menschen, an eine Erfahrbarkeit kaum mehr angeschlossen werden kann, stand von Beginn an auch das Bemühen, den Abstraktionen ein Konkretes gegenüberzustellen. So wird versucht einen Raum offen zu halten, in dem Theoriestücke als Ausgangspunkte für eine Arbeit dienen, die ein Einholen von künstlerischen, musischen Lebnissen ermöglichen und so deren Inbeziehungsetzung mit sowohl Wissenschaft und Philosophie sowie avancierten naturwissenschaftlichen Entwicklungen zulassen kann. Nachdem das Räsonnieren über den Zustand soziologischer und sozialphilosophischer Theoriebildung nach der Einsicht in die Impotenz theoretischen Begreifens zu einer bestimmten ,praxisphilosophischen' Resignation führte und gleichzeitig dazu motivierte, Ausschau zu halten nach starken Gegenpositionen zur Theorieimpotenz-These, nämlich nach der Differenzphilosophie in der Version Luhmanns -- Theorie als invasiven Introspektion --, blieb für viele als möglicher Zustand des Weiterdenkens nur noch ein exzentrisch paradoxes Hinauskatapultieren aus den Räumen kategorialen Nachdenkens übrig, das nun, im Horizont der Hans Peter Weberschen Theorie der Physis, hoffentlich ohne Bemühung der doppelten Negation wieder Haltungen sucht: ,erkennenstheoretisch' im kreaturalen Nachdenken, sozioanthropologisch im rigorosen Glück, und gesellschaftstheoretisch in der technogenen Nähe.